Strafrecht, Urheberrecht: arte e crimine

News: 11.02.2013 in Urheberrecht, Strafrecht
Strafrecht, Urheberrecht: arte e crimine

Anwaltlicher Rat schützt nicht vor Strafbarkeit und italienische Urheberrechtsgesetze nicht vor deutschem Urheberstrafrecht. Das sind sehr vereinfacht ausgedrückt die Kernsätze des nunmehr veröffentlichten Urteils des ersten Strafsenates des Bundesgerichtshofes vom 11. Oktober 2012, Az.: 1 StR 213/10.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Firma D mit Sitz in Bologna bot in Deutschland ansässigen Kunden Nachbauten von "Bauhaus"-Einrichtungsgegenständen an. Die Firma verfügte nicht über Lizenzen für den Vertrieb der in Deutschland urheberrechtlich geschützten Gegenstände. Sie ließ die Waren über das ebenfalls in Bologna ansässige Speditionsunternehmen I zu den deutschen Kunden verbringen. Der Geschäftsführer A des Speditionsunternehmens verfügte über 90 % der Gesellschaftsanteile und betrieb seine Geschäfte von seinem Wohnsitz in Deutschland aus. Gegen A war bereits wegen der Verbringung urheberrechtlich geschützter Vervielfältigungsstücke in das Bundesgebiet ein Strafverfahren eingeleitet worden, das im Dezember 2006 durch das Amtsgericht München nach Zahlung einer Geldauflage endgültig eingestellt wurde. A ließ sich von seinem Verteidiger in diesem Verfahren über die Möglichkeiten legalen Transportes in Italien nicht geschützter Waren in das Bundesgebiet beraten.

Der Verteidiger teilte A mit, dass nach seiner Auffassung die Einfuhr "EU-rechtlich auch möglich sein" müsse. Hierzu müsste das Lager in Deutschland und die Kunden in der Auswahl der Spedition frei sein. Gleichzeitig wurde A von dem Geschäftsführer der Firma D dahingehend informiert, dass deren italienischer Rechtsanwalt der Ansicht sei, dass eine Strafverfolgung ausscheide, wenn das Auslieferungslager nach Italien verlegt würde. Gleichzeitig verwies der Geschäftsführer der Firma D auf den Rechtsrat eines weiteren Rechtsanwaltes aus Frankfurt, der die Ansicht des Anwaltes der Firma D teile. Auf Nachfrage des A bei dem Frankfurter Rechtsanwalt erklärte dieser, dass er bei dem von dem italienischen Kollegen vorgeschlagenen Vorgehen grundsätzlich keine Probleme sehe, er diese Frage allerdings nochmals überprüfen müsse. Eine weitere Nachfrage des A bei diesem Rechtsanwalt erfolgte nicht. Es wurde nunmehr die Durchführung der Auslieferung dahingehend geändert, dass die Kunden die Firma I mit der Spedition beauftragten. Das Eigentum an den Gegenständen erwarben die Kunden in Italien, den Kaufpreis zahlten Sie in Deutschland. Die Firma D versandte die Rechnungen unmittelbar an die Kunden. In dem italienischen Auslieferungslager wurden die Designgegenstände derart bereitgehalten, dass auf der Verpackung Name und Adresse des Bestellers oder zumindest die Auftragsnummer angegeben waren. Das Speditionsunternehmen holte die dem jeweiligen Kunden konkret zugeordneten Gegenstände im italienischen Lager ab, bezahlte den Kaufpreis an die Firma D und zog bei Ablieferung an den deutschen Besteller Kaufpreis und Frachtlohn vom Kunden ein. In erster Instanz verurteilte das Landgericht München II den A wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen unerlaubten Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke in 485 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist.

Designleistungen können über das Geschmacksmusterrecht, das sogenannte Designrecht und über das Urheberrecht geschützt sein. Designschutz nach dem Geschmacksmusterrecht und Urheberrechte differieren in der Schutzfrist. Die Schutzfrist beläuft sich für eingetragene Geschmacksmuster auf max. 25 Jahre. Der urheberrechtliche Schutz endet erst 70 Jahre nach dem Tod des Entwerfers. In Italien wurde in dem hier interessierenden Tatzeitraum 2005-2008 ein solcher über den Zeitraum der Geschmacksmuster-Schutzfrist hinausgehender urheberrechtlicher Schutz in bestimmten Fällen versagt. So i.d.R. auch bei "Bauhaus"-Einrichtungsgegenständen.

Da hier deutsches Urheberrecht die Einfuhr von in Italien legal hergestellter und vertriebener Waren in das Bundesgebiet unter Strafe stellt, ist europäisches Recht, und zwar die Regelungen des freien Warenverkehrs unmittelbar betroffen. Der erste Strafsenat des Bundesgerichtshofes legte von daher dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung die Frage vor, ob die den freien Warenverkehr regelnden Vorschriften nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) einer Strafbarkeit wegen Beihilfe zum unerlaubten Verbreiten urheberrechtlich geschützter Werke entgegenstehen. Der EuGH hat mit Urteil vom 21. Juni 2012 – Rs. C 5/11 – dahingehend entschieden, dass die den freien Warenverkehr regelnden Vorschriften der AEUV dahingehend auszulegen sind, dass sie es einem Mitgliedstaat nicht verbieten, die Beihilfe zum unerlaubten Verbreiten unter Strafe zu stellen, "wenn Vervielfältigungsstücke solcher urheberrechtlich geschützten Werke in dem betreffenden Mitgliedstaat im Rahmen eines Verkaufsgeschäftes an die Öffentlichkeit verbreitet werden, das speziell auf die Öffentlichkeit in diesem Mitgliedstaat ausgerichtet ist und von einem anderen Mitgliedstaat aus abgeschlossen wird, in dem ein urheberrechtlicher Schutz der Werke nicht besteht oder nicht durchsetzbar ist." In Anwendung der Grundsätze des Urteils des EuGH hat der erste Strafsenat des BGH festgestellt, dass bei einem grenzüberschreitenden Verkauf ein Verbreiten nach § 17 Urhebergesetz schon dann vorliegt, wenn ein Händler seine Werbung auf in Deutschland ansässige Kunden ausrichtet und ein spezifisches Lieferungssystem und spezifische Zahlungsmodalitäten schafft, um den Kunden den Ankauf und die Lieferung von in Deutschland urheberrechtlich geschützter Werke zu ermöglichen. Die gewerbsmäßige Lieferung der "Bauhaus"-Einrichtungsgegenstände nach Deutschland war daher Beihilfe zur unerlaubten gewerbsmäßigen Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke, §§ 106, 108a Urhebergesetz, § 27 StGB.

A habe auch schuldhaft gehandelt und sich nicht in einem so genannten Verbotsirrtum befunden, so der BGH. Die anwaltliche Beratung und die anwaltlichen Ratschläge ändern hieran nichts. In einem Verbotsirrtum befindet sich, wem bei Begehung der Tat die Einsicht fehlt, Unrecht zu tun. Ist der Verbotsirrtum unvermeidbar, so handelt der Täter ohne Schuld, ist er vermeidbar, so kann die jeweilige Strafe gemildert werden, § 17 StGB. Der BGH führt aus, dass der Täter bereits dann ausreichende Unrechtseinsicht habe, wenn er bei Begehung der Tat mit der Möglichkeit rechnet, Unrecht zu tun, und dies billigend in Kauf nimmt. Es genüge das Bewusstsein, dass die Handlung gegen irgendwelche, wenn auch nicht im einzelnen klar vorgestellte gesetzliche Bestimmungen verstoße. A war aus dem ersten Strafverfahren bekannt, dass er sich in einem rechtlichen Grenzbereich bewegt. Die anwaltliche Beratung erfolgte zu einem Geschäftsmodell, das gerade darauf angelegt war, eine als möglich erkannte Strafbarkeit zu umgehen. Das bereits setze, so der BGH, eine gedankliche Auseinandersetzung mit den Grenzen strafbaren Verhaltens voraus und schließe gleichzeitig die Möglichkeit mit ein, sich bei einer Fehlinterpretation der Gesetzeslage strafbar zu machen. Die eingeholte anwaltliche Beratung reiche nicht aus, um einen unvermeidbaren Verbotsirrtum anzunehmen. Eine anwaltliche Auskunft sei nur dann verlässlich, so der Bundesgerichtshof, wenn sie objektiv, sorgfältig, verantwortungsbewusst und insbesondere nach pflichtgemäßer Prüfung der Sach- und Rechtslage erteilt worden sei. Der Anwalt dürfe insbesondere keine eigene Interessen verfolgen. Das sei bei dem italienischen Anwalt der Firma D bereits nicht anzunehmen, da davon auszugehen sei, dass der Anwalt im Interesse seiner Mandantschaft, der Firma D handele und also auch dementsprechend Auskunft erteile. Die Auskünfte der weiteren Rechtsanwälte seien nicht ausreichend, um über eine bloße "Feigenblattfunktion" hinauszugehen. Insbesondere sei bei komplexen Sachverhalten und erkennbar schwierigen Rechtsfragen regelmäßig ein detailliertes, schriftliches Gutachten erforderlich, um einen unvermeidbaren Verbotsirrtum zu begründen. Dies sei vorliegend allerdings nicht geschehen.

Die Revision des A blieb ohne Erfolg. Das Urteil des Landgerichtes München II wurde durch den Bundesgerichtshof nicht aufgehoben. Das Urteil ist rechtskräftig.